Eine sorgfältige und oft auch sehr langwierige Auswahl und Vorbereitung ist notwendig, weil dadurch eine gezielte Zuordnung von Kindern mit gravierenden Auffälligkeiten möglich ist und Abbrüche eher vermieden werden können. Schon in der Vorbereitungsphase werden potentielle Herausforderungen in die laufende Beratungsarbeit mit einbezogen. Die Vorbereitung von Erziehungsstellen erfolgt durch Einzel-, Paar- und Familiengespräche sowie gegebenenfalls durch Gruppenarbeit in Vorbereitungsseminaren und Fortbildungen.
3.1 Auswahl von Erziehungsstellen
Bei der Auswahl werden in Bewerbergesprächen verschiedene Aspekte überprüft, unter anderem:
Motivation für die Arbeit als Erziehungsstelle
a) pädagogische Ausbildung und persönliche Kompetenz
b) persönliche und soziale Qualifikationen der Bewerber
c) Bereitschaft und Fähigkeit zur kontinuierlichen Reflexion der pädagogischen Arbeit und zur kontinuierlichen Zusammenarbeit mit der Erziehungsstellenberaterin
d) materielle Absicherung und ausreichende räumliche Gegebenheiten
Es erfolgt ein individueller Entscheidungs- und Auswahlprozess unter Berücksichtigung der unter Punkt 4 genannten Qualifikationskriterien für Erziehungsstellen Im Rheinland. Dabei findet auch die Arbeitshilfe zum Bewerberverfahren des LVR Anwendung.http://www.lvr.de/de/nav_main/jugend_2/lpjugend.jsp
Neben der Vorlage der erweiterten polizeilichen Führungszeugnisse sowie einer gesundheitlichen Unbedenklichkeitserklärung ist es notwendig, das Jugendamt am Wohnsitz der Bewerber über die Absicht der Einrichtung einer Erziehungsstelle zu informieren.
Die Entscheidung zur Eignung der Familie findet in einem Gesamtprozess von Information, Diskussion und gegenseitigem Kennenlernen statt. Sie ist immer nur als individuelle Entscheidung möglich, die die Zustimmung aller Beteiligten beinhaltet. Die Beraterin stellt mit dem positiven Abschluss des Auswahlverfahrens die prinzipielle Eignung fest, übernimmt die Vorbereitung und gegebenenfalls die Vermittlung eines Kindes.
3.2. Qualifikation von Erziehungsstellen
Die Erziehungsstellen Im Rheinland übernehmen eine außergewöhnlich verantwortungsvolle Aufgabe der öffentlichen Erziehung in ihrem privaten Familiensystem und unterliegen damit besonderen Anforderungen.
Erziehungsstelleneltern/-paare oder Alleinerziehende verfügen über eine pädagogische Ausbildung, die sie im besonderen Maße befähigt, beeinträchtigte Kinder und Jugendliche in ihr familiäres Leben aufzunehmen, sie zu begleiten und zu fördern. Sie sind in der Lage zur Selbstreflexion und bringen Toleranz gegenüber den Herkunftseltern mit.
3.3 Anforderungen an die aufnehmenden Familien, Paare oder Alleinerziehende
Für die Eignung von Erziehungsstellen gelten für die Mitglieder der Trägerkonferenz folgende Auswahlkriterien:
a) Pädagogische (Erzieher, Sozialpädagoge, Sozialarbeiter, Diplompädagoge, Heilpädagoge, Diplompsychologe), pflegerische oder medizinische Fachkräfte
b) Professionen, welche Kinder und Jugendliche als Zielgruppe ihrer Tätigkeit haben, aber nicht als pädagogische Fachkraft ausgebildet sind lt. Pkt 1 (Lehrer, Kinderpfleger, Therapeuten, erfahrene Pflegefamilien.) Hier liegt es im Entscheidungsbereich der Fachberatung, ob die Bewerber eine weitere Schulung durch die Trägerkonferenz benötigen
c) Bewerber ohne pädagogische Ausbildung gemäß a) und ohne Profession gemäß b) sind vom Träger zu schulen und durchlaufen die Qualifizierungsmaßnahme und das Kolloquium der Trägerkonferenz und des Landesjugendamtes.
Weitere wichtige Kriterien sind:
Fähigkeit, auf die Problematik der Kinder und Jugendlichen angemessen einzugehen
- Toleranz gegenüber der Herkunftsfamilie, um den Kindern Loyalitätskonflikte zu ersparen; Kontakte zur Herkunftsfamilie sind entsprechend den Vorgaben des Hilfeplans zu gestalten
- Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Erziehungsstellenberaterin
- Reflexion des eigenen Verhaltens und Empfindens
- Teilnahme an Angeboten zu Weiterbildung und Supervision sowie Gruppenarbeit seitens des Erziehungsstellenträgers
- Mitarbeit bei der Erstellung und Fortschreibung des Hilfeplans gemäß§ 36 SGB VIII und bei der Umsetzung fachlich methodischer Vorgehensweisen
Bei der Bewertung der Erziehungsstelle ist nicht nur die pädagogische Qualifikation von Bedeutung; die Wirksamkeit des gesamten familiären Systems muss in die Überlegungen miteinbezogen werden. Die gesamte Familie muss diese Aufgabe bejahen und mittragen.
Geeignete räumliche und zeitliche Ressourcen sowie die notwendige Belastbarkeit und Flexibilität werden für die Aufnahme des Kindes in die Erziehungsstelle vorausgesetzt.
3.4 Vermittlungsprozess
Aufnahmeanfragen für Kinder und Jugendliche erfolgen auf der Grundlage eines Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII. Dabei wird die gesamte Situation des Kindes erfasst. Hierzu zählt die Betrachtung des biographischen Hintergrundes hinsichtlich der Ausgangssituation der Fremdunterbringung, der individuellen Entwicklung des Kindes und der Beziehungen zur Herkunftsfamilie. Bei Bedarf erfolgt eine psychologische und/oder medizinische Diagnostik.
Die Erziehungsstellenberaterin trifft eine Vorauswahl. Diese steht unter der Fragestellung der Passung zwischen Kind und Erziehungsstelle, das heißt „Was braucht das Kind?“ und „Was kann die Erziehungsstelle leisten?“. Die konkrete Entscheidung nach eingehender Prüfung treffen dann die Erziehungsstelle und ggf. das Kind gemeinsam mit den Personensorgeberechtigten, der Fallführung und der Erziehungsstellenberaterin. Die Herkunftsfamilie wird durch die Erziehungsstellenberaterin im Vorfeld des Vermittlungsprozesses mit einbezogen.
Der Vermittlungsprozess erfolgt individuell in mehreren Phasen und zielt darauf ab, die Passung zu überprüfen. Hierzu gehören die Kontaktaufnahme zwischen Kind und Erziehungsstelle, Besuchskontakte ohne und mit Übernachtungen und die Entscheidung über die Aufnahme des Kindes durch alle Beteiligten. Die Erziehungsstellenberaterin sorgt für einen ausreichenden Zeitrahmen und koordiniert den Verlauf der Vermittlung.
Im Fall der Aufnahme werden vertragliche Vereinbarungen zwischen Personensorgeberechtigten, der Erziehungsstelle, dem Jugendamt und dem Träger abgeschlossen.